Der Womb Chair – eine Sitzikone wird 75

Die erste Hälfte des letzten Jahrhunderts stand im Zeichen einiger Designikonen bei Sitzmöbeln: Gerrit T. Rietvelds „Red & Blue“ von 1918, ein paar Holzplatten und vier Farben (Rot, Gelb, Blau und Schwarz), der 1929 von Ludwig Mies van der Rohe entworfene Barcelona Chair, Marcel Breuers Freischwinger von 1931, der pop-designige Panton Chair von Verner Panton aus dem Jahr 1967 – wunderschöne Stühle und Sessel, die für uns eigentlich erst einmal nur einen Zweck erfüllen: Wir wollen einfach nur auf ihnen sitzen.

Die Stühle von Mies van der Rohe & Co. sind aber auch außergewöhnliche Designobjekte, vielfach reproduziert, um die Aura der anbetungswürdigen Sitzobjekte auch in den heimischen vier Wänden zu spüren.

Ich spreche da gerade einmal über vier Designklassiker. Eine XXS-Auswahl, blättert man etwa in dem Bildband „1000 Chairs“ vom Taschen Verlag. Und, man mag es kaum glauben, dass sogar die außergewöhnlichsten und schrägsten Designs sitzbarer sind, als man beim ersten Anblick denkt.

„Setzen, zurücklehnen und gratulieren“, das gehört sich und deshalb feiern wir in diesem Jahr ein ikonisches Möbel, das den 75. Geburtstag feiert. „Sydämelliset onnittelut” also, „Herzlichen Glückwünsch” auf finnisch, sonst versteht der Jublilar es nicht. Schließlich ist Womb eine Kreation des finnischen Designers Eero Saarinen. Vor ein paar Jahren kam der Hype auf, Sessel und Stuhl mal miteinander rummachen zu lassen, um eine neue Gattung Sitzelemente für den Esstisch zu schaffen. Sesselstühle sehen ungemein kommod aus, eben weil ihnen die Bequemlichkeit des guten alten Sessels anheimgefallen ist. Und das ist es ja genau, was wir am Esstisch wollen. Ein großartiges Menü, hervorragende Weine… wunderbar. Wenn die Gäste aber unbequem sitzen, dann wird das kulinarische Vergnügen zumindest getrübt. Außer man möchte, dass die Gäste nicht allzu viel Sitzfleisch haben und schnell wieder gehen. Aber das wollen wir mal nicht annehmen.  Der als bequemer, dynamischer und organischer Loungesessel erschaffene Womb strahlt ungemeine Sitzfreude aus. Verlängert man die Beine in adäquate Esstisch-Höhe, mutet er wie ein Sitzsessel des 21. Jahrhunderts an. Weil er aber eben schon vor einem Dreivierteljahrhundert das Licht der Möbeldesignwelt erblickte, kann man ihn als Urvater des Sesselstuhls bezeichnen. Besser noch als Urmutter. Denn das englische Wort ”Womb” bedeutet Mutterleib – was für Assoziationen tauchen da gleich auf. Doch die sind beabsichtigt, hieß das Möbel anfangs schlicht No. 70. Sesselstühle werden glücklicherweise nicht so inflationär produziert wie etwa Breuers Freischwinger und gehören auch nicht der Kategorie Billigheimer an. So verhält es sich auch mit den Womb-Nachbauten und das macht das ikonische Sitzmöbel auch aus zeitgenössischer Produktion zu etwas Besonderem, das mit seiner zeitlosen Eleganz weit länger als die nächsten 75 Jahre ein famoses Möbel sein wird, das man gerne besetzen wie besitzen mag.  Was kostet nun dieser bedeutende Design-Klassiker? Die Originale liegen bei rund 4 – 6.000,00 EUR, Nachbauten, ebenso schick, aber vermutlich weniger langlebig, beginnen bei rund 850,00 EUR.

Text: Manuela Blisse