Coravin – um die Guten nicht zu fluten

Jetzt ein schöner Wein, das wäre fein. Aber möchte der eine einen Wein aus Italien, der andere einen aus Frankreich? Heute Piemont oder Bordeaux? Sie einen Paolo Scavino 2012 Ravera und er lieber einen Château Bellevue-Cardon Pauillac 2015? Und was hat Keith Haring mit den edlen Pullen zu tun?

Aber von vorne: Normalerweise müsste man sich entscheiden, wollte man nicht beide Flaschen in kurzer Zeit austrinken. Denn ist der Korken erst einmal aus der Flasche, beginnt die Oxidation. Da hat sich der findige amerikanische Ingenieur Greg Lambrecht, der eigentlich aus dem Medizin-Bereich kommt, ein wahrlich großartiges System ausgedacht: einen Flaschenöffner, der nicht den ganzen Korken aus dem Flaschenhals manövriert. Sondern ganz feinfühlig, nahezu zärtlich schiebt sich eine dünne Hohlnadel durch den Verschluss in die Flasche. In der wie ein neuartiges Kombi-Werkzeug aus Biegezange und Spritzpistole ausschauenden Apparatur namens Coravin befindet sich ein mit dem geruchs- und farblosen wie reaktionsträgen Argon-Gas befülltes Behältnis, durch das ein Überdruck erzeugt wird. Der wiederum lässt den Wein in sehr geringer Abmessung fließen, sodass man einen Mini-Schluck ganz genau portionieren kann. Das Gas füllt den entstandenen Luftraum aus und verhindert so die Oxydation.

Das hat ungemeine Vorteile in der Praxis. Endlich keine Kompromisse mehr, sondern Glas-Glückseligkeit für alle vinophilen Genussmenschen. Und Flaschen müssen eben nicht mehr an einem Abend geleert oder am nächsten Tag beendet werden, damit der Flascheninhalt nicht kippt. Mit dem System kann man zudem den Reifezustand von Weinraritäten überprüfen, ohne die Flasche öffnen zu müssen. Denn trotz Entnahme ist der Wein wie vor der Interims-Nadel-Entnahme vor Umwelteinflüssen geschützt.

Da könnte man nicht nur als Coravin-Erfinder, sondern auch als Normalo-Wein-Enthusiast:in meinen, jedes Restaurant, jede Weinbar hätte dieses Werkzeug im Bestand. Doch weit gefehlt. Bei einer inzwischen über Jahre andauernden persönlichen Coravin-Nachfrage mit plauderfreudigen Gastronomen und Gastronominnen waren zwar die Pluspunkte meist bekannt und wurden wertgeschätzt. Dennoch ist die US-Erfindung weit weniger neben dem Kellerbesteck zu finden als gedacht. Eigentlich immer verbunden mit dem Grund der hohen Anschaffungskosten. Vorausgeschickt, ich bin keine von Coravin auserkorene Vertreterin, geht mir das bei Preisen von etwa 130 bis 600 Euro nicht so recht in den Kopf. Da gibt es doch weit Höherpreisiges in Küche und Keller. Ist es vielleicht die Gaspatrone, die die Gastronomen abschreckt? Die Kosten schlagen mit rund zehn Euro pro Stück zu Buche. Sie reicht für 10-15 Gläser. Die Mehrkosten von maximal einem Euro pro Glas könnte man als Gastronom wohl einkalkulieren, sofern man ein Publikum hat, das den Wert hochwertiger, glasweise eingeschenkter Weine zu schätzen und zu honorieren weiß. Vor allem, wenn es auch noch ein bisschen Kunst mitliefert. Wie die Sonder-Edition mit den lustigen Strichmännchen von Pop-Art-Künstler Keith Haring – große Weine aufgepeppt durch Kunstgenuss, das hat doch was.

https://www.coravin.de/

Autorin: Manuela Blisse